102_Der Wunschbrunnen

Der Wunschbrunnen

Drei alte Freunde – Neid, Hass und Gier – standen eines Tages vor einem geheimnisvollen Wunschbrunnen.

„Ein Wunsch für jeden von euch“, sprach der Brunnen. „Doch denkt gut nach – was ihr wünscht, wird auch Konsequenzen haben.“

Neid trat vor. „Ich wünsche mir, dass mein Nachbar ein schiefes Haus hat – meins soll wenigstens geradestehen!“
Der Brunnen gluckerte leise – und Neids eigenes Haus sackte schief in den Boden, während das des Nachbarn verschwand.
„Verdammt! Jetzt hab ich gar keinen mehr, auf den ich neidisch sein kann!“

Hass knurrte. „Ich will, dass alle, die ich verachte, vom Erdboden verschwinden!“
Ein grollendes Echo hallte – und Hass stand plötzlich allein in einer stillen Welt.
„Mist. Jetzt ist keiner mehr da, den ich hassen kann!“

Gier lächelte und trat selbstsicher vor. „Ich will ALLES! Gold, Macht, Ruhm – die ganze Welt soll mir gehören!“
Der Brunnen zögerte, dann antwortete er: „Sehr wohl.“
Ein grelles Licht – und Gier stand auf einem Thron. Alles gehörte ihm. Alles. Auch der Neid. Auch der Hass.
Und mit ihnen kam… die Langeweile.
Denn alles zu besitzen, bedeutet auch: nichts mehr zu begehren.

Und so saßen die drei da – neidisch auf die Zufriedenen, hasserfüllt gegenüber dem Leben und gierig nach dem, was sie nie verstehen werden: Genügsamkeit.

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